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Schule für Kranke„Ich wollte den Anschluss nicht verpassen“

Kinder, die länger als vier Wochen im Krankenhaus sind, werden in der „Schule für Kranke“ unterrichtet. Die Lehrer müssen mit Schmerz, Trauer und Angst umgehen können. Eine Reportage von 

Lars weiß seit einer Woche, dass er an Leukämie erkrankt ist.

Lars weiß seit einer Woche, dass er an Leukämie erkrankt ist.  |  © Privat

Während eine rote Flüssigkeit über einen dünnen Schlauch in seinen Arm tropft, lernt Lars Latein. „Ich will durchpowern und nicht auch noch den Anschluss an meine Klasse verpassen“, sagt der 13-Jährige. Lars hat Leukämie. Seit einer Woche liegt er in der Kinderklinik der Düsseldorfer Universitätsklinik. Seine Mutter oder sein Vater sind Tag und Nacht bei ihm. Die Ärzte haben ihm und seinen Eltern erklärt, dass er in den nächsten acht Monaten mehrere Chemotherapien durchmachen muss. In dieser Zeit wird er nicht zur Schule gehen dürfen; jede Infektion könnte tödlich sein.

So lange Lars in der Klinik liegt, kommt Ursula Flachskamp an jedem Werktag zu ihm. Die 54-Jährige ist Lehrerin an der Alfred-Adler-Schule in Düsseldorf, der Städtischen Schule für Kranke. Gleich am ersten Tag nach der Diagnose hat sie Lars Klassenleiter angerufen und ihn um Kooperation gebeten. „Es ist wichtig, dass die Lehrer uns das Lernmaterial schicken und den Kontakt halten“, erläutert Flachskamp.

Zwischen den Therapien wird Lars zu Hause sein, dann werden seine Lehrer ihn dort unterrichten. In der Klinik sorgt Ursula Flachskamp dafür, dass Lars im Stoff der 7. Klasse weiterkommt. Wenn er will und fit genug ist, paukt sie mit ihm Vokabeln oder bespricht geometrische Formen. Lars‘ Mitschüler und Lehrer haben ihm ein T-Shirt mit Unterschriften bedruckt und in Briefen geschrieben: „Halte durch!“ Die Verbindung zum Schulalltag gibt Lars Kraft und die kann er brauchen. Die erste Chemotherapie hat er hinter sich: „Das war der Hammer. Ich hatte heftiges Nasenbluten und mir war schlecht.“ Lars‘ Krankheit wurde früh entdeckt, die Ärzte haben ihm erklärt, dass er gute Heilungschancen habe.

Die Lehrerin Flachskamp sagt: „Ich muss mir immer wieder klarmachen: Von 100 Kindern, die an Krebs erkranken, werden 85 wieder gesund.“ Ihre Schüler leiden an langwierigen Krankheiten wie Gehirntumoren oder auch Mukoviszidose. Jeden Morgen bekommen die Lehrerin und ihre Kollegen eine Liste, auf der die Namen der Schüler stehen. Die Liste ändert sich immer wieder, je nach Krankheitsverlauf. Von den 17 Lehrkräften der Alfred-Adler-Schuhe wird eine hohe Flexibilität erwartet; sie müssen individuell auf die ständig wechselnden Schüler eingehen. Einen festen Stundenplan kann es nicht geben. Aktuell besuchen 95 Kinder die Schule. Ziel ist es, dass sie nach der Heilung wieder in ihre alte Klasse zurückkehren können.

Bevor Ursula Flachskamp in ein Krankenzimmer geht, desinfiziert sie sich die Hände und benutzt manchmal auch einen Mundschutz. Vor dem Unterricht auf der Intensivstation muss sie durch eine Schleuse, um sich sterile Kleidung anzuziehen. „Direkt nach der Diagnose wollen einige Kinder nichts von Schule hören. Ich biete es immer wieder an und früher oder später steigen alle Kinder in das Lernprogramm ein“, erzählt Flachskamp. Während der Therapien kann es sein, dass die Patienten zu schwach zum Lernen sind. Aber Flachskamp ist immer wieder erstaunt über den Eifer ihrer Schüler: „Selbst Kinder, die wissen, dass sie bald sterben, stellen viele Fragen und wollen lernen.“